Antje Babendererde - Lakota Moon

...wenn es denn mal etwas anderes als ein Liebesroman sein soll;)

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Antje Babendererde - Lakota Moon

Beitragvon patwelli » 23.11.2010, 16:22

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Lakota Moon
Antje Babendererde
Arena 2009-03 Broschiert 279 Seiten

Klappentext:

Oliver ist 15 und schwer verliebt in Nina. Und – o Wunder, Nina liebt ihn auch. Doch dann passiert das Unfassbare. Olivers Mutter beschließt wieder zu heiraten und zwar einen waschechten Indianer. Aller Protest nützt nichts – Oliver muss mit seiner Mutter nach Amerika auswandern. Doch im Pine Ridge Indianerreservat ist nichts so, wie er es sich vorgestellt hat, und Oliver möchte nur eins: so schnell wie möglich zurück nach Deutschland zu Nina. Bis eines Tages etwas passiert, das Oliver seiner neuen Familie näher bringt, als er es jemals geahnt hätte ... Quelle: Arena

Meine Meinung:

Irgendwo ist jeder ein Ausländer. Diese Erfahrung muss Oliver, ein fünfzehnjähriger deutscher Schüler, machen, als seine Mutter einen Amerikaner indianischer Abstammung heiratet und sie nach Amerika ziehen. Genauer nach Dakota, in ein Indianerreservat, mit eigener Gesetzgebung, eigenen Gesetzen und einer eigenen Schule. Ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, wo es für Oliver richtig gut läuft, mit Nina, seiner Freundin - für ihn ist es die große Liebe. Erbarmungslos wie nur Eltern sein können, zwingt ihm seine Mutter ein völlig neues Leben auf, bei Indianern, die doch nur faulenzen, ihr Geld vertrinken und in Blechhütten wohnen. Haben sie dort überhaupt schon Strom und fließendes Wasser? Oliver ist verzweifelt, aber er hat keine Wahl. Angekommen in Amerika bewahrheiten sich nicht alle seine Vorurteile, sein neuer Stiefvater Rodney hat ein Blockhaus gebaut - mit Strom und fließendem Wasser, wenn es auch noch nicht ganz fertig ist. Oliver hat ein eigenes großes Zimmer mit eigenem Bad, was ihm sofort den geballten Ärger seines Stiefbruders Ryan einbringt, der sich von seinem Vater vernachlässigt fühlt und Oliver dieses auch deutlich spüren lässt.

Oliver prallt ungebremst auf eine Welt, in der er durch seine weiße Haut ein Außenseiter ist. Niemals wird er die Gefühle der Indianer verstehen lernen, die an ihrem Land und ihren Traditionen hängen. Abgelehnt zu werden nur aufgrund seiner Hautfarbe ist für Oliver ein völlig neues Gefühl, was ihm sein neues Leben auch nicht unbedingt schmackhafter macht. Leider sind die Reservatsbewohner auch nur ein kleiner Teil des Landes, die anderen sind "echte" Amerikaner, die den Indianern bis heute noch Steine in den Weg legen, wo es nur geht. Rodney baut Nutzhanf an, es soll die Zukunft des Reservates sein, wenn die Ernte gewinnbringend verkauft und verarbeitet wird. Die Drogenfahndung und das FBI sitzen ihm allerdings auf den Fersen, obwohl der Hanf nachweislich nicht die rauschmittelfördernden Ingredienzien enthält, wollen sie es nicht genehmigen. Rodney bewegt sich somit nur halb legal, was auch seine Mutter und Oliver in Schwierigkeiten bringen kann. Indianer werden bis heute immer noch nicht voll akzeptiert, sie werden gedemütigt und gemobbt, wo es nur eben geht. Kein Wunder, dass sie genauso andersherum reagieren, Oliver wird gequält, nur weil er weiß ist.

Mit Oliver hat Antje Babendererde einen starken und realistischen Charakter geschaffen. Unzufrieden mit seinem Los ergibt er sich zwar manchmal dem Selbstmitleid hin, erkennt aber auch genauso, dass er damit nichts ändert. Er bietet lieber dem Schicksal die Stirn und versucht sich damit zu arrangieren. In ihm ist immer noch die Hoffnung, in drei Jahren, wenn er volljährig ist, wieder nach Deutschland zu gehen. Wird Nina wohl so lange auf ihn warten können? Erschreckend realistisch schätzt Oliver seine Lage ein und seine Versuche, das Beste aus seiner Situation zu machen, lassen ihn sehr sympathisch wirken. Ihm zur Seite steht seine neue Stiefschwester Sadie, die mit Steven verheiratet ist und zwei niedliche kleine Kinder hat, die Oliver sofort vorbehaltlos akzeptieren und integrieren. Wobei man nicht so genau über die Altersbegrenzungen nachdenken sollte, denn Rodney ist 47 und sein ältestes Enkelkind bereits sieben. Genauso vorbehaltlos stehen ihm auch die Geschwister Tammy und Jaron zur Seite, die ihm die Bräuche, Gewohnheiten und Sichtweisen der Reservatsbewohner so eindringlich nahe bringen, dass Oliver sich einiges sogar zu Eigen macht. Es ist seine neue Familie, und Familienbande sind das wichtigste bei den Indianern. Ihr Zusammenhalt ist vorbildlich und sehr innig, manchmal werden auch recht ungewöhnliche Methoden gewählt, um Streitigkeiten beizulegen. Mit teilweise stoischer Gelassenheit bewältigt Oliver so manche fatale Situation, er verliert selten die Contenance und analysiert seine Position mit erschreckender Klarheit. Mit Großvater Joe steht ihm jemand zur Seite, der ihn auf den richtigen Weg bringt und ihn mehrmals in Situationen drängt, an denen Oliver den Sinn erst sehr viel später erkennt. Er schafft sich seinen eigenen Weg und auch die Anerkennung der Gemeinde, alles erarbeitet er sich selbst. Die Erwachsenen stehen ihm zwar zur Seite, aber Oliver erkennt, wie viel wertvoller es ist, eigene Lösungen zu finden und sich Respekt selbst zu verschaffen.

Durch so manche Situation und seine Selbstironie ist die Geschichte schön flüssig geschrieben, man leidet mit Oliver mit und bewundert seine Entscheidungen. Antje Babendererde hat es geschafft, den Leser in das Reservat zu katapultieren, Jugendliche wie Erwachsene gleichermaßen durch ihren einfühlsamen Erzählstil. Noch lange bleibt die Story im Gedächtnis, die Botschaft ist angekommen. Niemand hat das Recht, sich über andere zu erheben oder sie zu demütigen, denn ehe er es sich versieht, kann es einen selber treffen. Leider ist das Ende nicht so gelungen, viele Fragen bleiben offen, etwas abrupt muss man das Reservat wieder verlassen. Trotzdem ist das Buch aber eine wahre Leseempfehlung, die gute Qualität und das gelungene Cover wirken noch zusätzlich positiv.

Fazit

Vorurteile gibt es überall, und ehe man es sich versieht, hat man nicht nur welche sondern begegnet auch welchen. Antje Babendererde hat ein spannendes Buch geschrieben, mit starken, sympathischen Charakteren, realistischen Situationen und einem wenig bekannten Setting. Eine Geschichte, die Nachhaltigkeit bietet und die Abenteuerlust eines jeden Teenagers anspricht. Aus Olivers Sicht geschrieben lernt man die Indianer besser kennen, besonders ihre Naturverbundenheit und ihre Eigenarten.


Von mir gibt es wegen des offenen Endes 4 von 5 Punkten

:stern
Meine verwendeten Bilder habe ich entweder selbst erstellt oder sie kommen von dieser Seite

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