alekto hat geschrieben: ich glaub, von arrangierten ehen bis zum speeddating isses aber noch mal ein schritt!
anhand der anderen rezension hatte ich einfach den eindruck gewonnen, dass das unter historischen aspekten total daneben ist, weil alle damals geltenden konventionen über den haufen geworfen werden. aber wie gesagt, dass ich nur ein eindruck.
Ich glaube, es hängt ein bisschen davon ab, welche Knöpfe ein Buch drückt und wie weit man bereit ist, sich darauf einzulassen. Ich bin nicht gut im Orten von historischen Ungenauigkeiten und bin da auch nicht allzu empfindlich, wenn mich die Liebesgeschichte und vor allem die Charaktere überzeugen. Ich muss aber auch zugeben, dass ich den Plot wirklich nicht so unglaubwürdig fand, wie es auf den ersten Blick klingt (ich war ja auch erst abgestoßen und habe das Buch abgehakt).
Der Begriff "Speeddating" ruft sehr deutliche anachronistische Assoziationen auf den Plan, weil das eben eine sehr moderne (und für mich auch unromantische) heutige Angelegenheit ist. Einerseits hat die Rezensentin unbestreitbar recht, dass die Geschichte was damit zu tun hat (da finde ich aber die Bachelor-Assoziation passender, weil mit so viel "speed" geht die Brautauswahl nicht voran. Aber beides ist ja wirklich eher gruselig), andererseits ist diese Art der Brautwahl -aus meiner völlig subjektiven Perspektive- nicht so unüberzeugend für eine Zeit in der Liebesheiraten nicht alltäglich waren, sonern andere Aspekte bei der Eheschließung im Vordergrund standen. Ich meine, das ist ja keine neue Erfindung die Vicky Dreiling da aufs Papier gebracht hat. Wir kennen ja alle die "und der Prinz bat zum Ball, um sich dann eine Braut auszusuchen" Geschichten. Klar, sind das Märchen, aber die Auswahl einer Braut nach rationalen Kriterien- hat das nicht mehr mit arrangierten Ehen gemein, als dass es sie unterscheidet?
Es ist natürlich müßig darüber zu diskutieren
und ich will Dich auch nicht in irgendwas reinquatschen. Es kann gut sein, dass Du den Roman grausig findest und Dich an denselben Aspekten störst, wie die anderen Renzensenten. Aber ein Aspekt fällt mir doch auf, und den würde ich gerne noch mal kurz ansprechen.
Ich finde gerade nicht, dass alle historischen Konventionen in diesem Buch über den Haufen geschmissen werden, im Gegenteil. Mir ist an diesem Roman aufgefallen, dass hier bestimmte Konventionen sehr viel ernster genommen werden als man das in vielen derzeitig hippen historischen Liros findet, in denen die Heldinnen von Kuritsanen zu liebevollen Ehefrauen werden, oder generell wenig Problem mit sexuellen Abenteuern haben. Beide Protas sind sich ihrer unmöglichen Situation sehr bewusst und es ist ein ernsthaftes Hindernis für eine Liebesbeziehung zwischen ihnen. Der Held legt großen Wert auf die Ehre seiner Familie und für ihn ist klar, dass sein vorangehendes Lotterleben mit der Hochzeit ein Ende hat. Auch die Heldin geht nicht leichtfertig mit dem Helden ins Bett, da gibt es so einige Klippen zu umschiffen- und gesellschaftliche Konventionen spielen dabei eine Rolle.
Klar, gibt es eins, zwei Szenen, die einem sehr großzügig vorkommen was das angeht, aber ist das nicht in jedem Liro der Fall? Ich meine wie häufig finden Held und Heldin die Möglichkeit miteinander allein zu sein, obwohl das nicht den sozialen Spielregeln entspricht? Das kommt doch fast in jedem Liro vor, finde ich.
Ich kann ganz ehrlich nicht nachvollziehen, warum ausgerechnet Vicky Dreilings Szenario so ungewöhnlich unglaubwürdig sein soll. Sie reizt sicher die Grenzen des "suspense of disbelief" etwas aus, aber aus meiner Sicht nicht so viel mehr als mancher Julia Quinn oder Lisa Kleypas (zwei meiner Lieblingsautorinnen). Bevor ich jetzt allzu sehr so klinge als würde ich mich in Rage reden und das Buch gegen (nicht vorhandene) Angriffe verteidigen
glaube ich, es kommt wirklich eher darauf an, was einen besonders an Büchern stört. Für mich gab es viel Gutes an dem Roman, so dass es eine Freude war ihn zu lesen. Oder ich war gerade in der Stimmung für genau so eine heitere, leichte, aber dennoch emotionale Geschichte, dass es mich einfach überzeugt hat. Perfekt isser nicht, der Liro - aber gut find ich ihn schon.