The Girl Next DoorJack Ketchum
Leisure Books 2007-12-15 Taschenbuch 370 Seiten
EVILJack Ketchum und Friedrich Mader
Heyne Hardcore 2006-01-01 Taschenbuch 336 Seiten
Wie kommt man nur auf einen Titel wie "Evil", der englische ist weitaus passender. The girl next door - Das Mädchen von nebenan. So schlicht, so einfach, so wahr.
Dieses Buch möchte ich euch nicht vorenthalten und gleichzeitig alles zartbesaiteten davon abraten. Selbst mir, die harte Krimis/Thriller liebt, ging er so an die Nieren das ich oft weinen musste und immer ein paar Pausen brauchte.
Das Buch wurde erstmalig
1989 veröffentlicht, aber die Zeit war anscheinend noch nicht reif für dieses Buch...Man sprach damals nicht so offen über solche Taten...Das gabs einfach nicht. Wenn man aber bedenkt, dass das Buch inhaltlich auf wahren Ereignissen beruht, halte ich es gerade auch deshalb von unschätzbarem Werk.
Wenn ihr mal nach
Sylvia Likens googelt könnt ihr Euch die grausame Geschichte durchlesen, die Ketchum als Vorlage für sein Buch nimmt.
Jack Ketchums Werk ist mehr als eine sensationelle, schockende Story. Das Buch ist eine Beichte. Der zwölfjährige David erzählt seine persönliche Geschichte, viele Jahre später als Erwachsener. Inzwischen ein erfolgreicher Wall Street Makler, mit einem Einkommen, zweimal verheiratet und kurz vor der dritten Eheschließung sucht er mit seiner Geschichte inneren Frieden. Er folgt den Spuren der Täter, um diese zu verstehen. Es bleibt nicht aus, dass er sich seinen inneren Ängsten stellen muss: die Konfrontation mit seiner eigenen Feigheit und das er über weite Strecken nicht weggeschaut – damit hätte er vielleicht leben können – sondern
hingeschaut hat. Er gehört damit zum Heer der stummen Mittäter. Und so sehr er sich bemüht, die Erinnerungen zu verdrängen und sein Handeln zu verstehen, er kann es nicht. Sein Gewissen gibt ihm keine Ruhe.
Seine Geschichte spielt in einer kleinen Stadt in New Jersey in den fünfziger Jahren. Eine Idylle, bis in das Haus von Davids Nachbarn – eine allein stehende Mutter von drei Söhnen – zwei junge Mädchen einziehen. Die beiden Schwestern haben bei einem Verkehrsunfall ihre Eltern verloren und Ruth ist die einzige entfernte Verwandte, die sich ihrer erbarmt. Während die jüngere Schwester Susan noch durch ihre Verletzungen behindert wird, bemüht sich die ältere Meg ihrer neuen Stiefmutter zur Hand zu gehen. Doch was die hübsche Vierzehnjährige auch anpackt, sie kann es Ruth nicht recht machen. Aus kleinen Bestrafungen wird ein immer sadistischeres Spiel. Susan ist das Pfand. Ruth sucht ein Ventil. Ihre Aggressionen lässt sie mehr und mehr an Meg ab. Sie empfindet das junge aufblühende Mädchen als Bedrohung. Sie versucht deren Körper und Geist zu brechen. Mit sadistischer Freude beteiligen sich nicht nur ihre drei Söhne, sondern einige Nachbarsjungen. Was mit körperlicher Züchtigung beginnt, artet schnell aus und endet schließlich in einem Ausbruch brutaler Gewalt.
Mitten im Geschehen steht der Nachbarsjunge David. Obwohl er sich ekelt, kann er nicht aufhören zuzusehen, während die anderen Meg quälen. Kinder, wie er. Mehrmals wird er eingeladen, mit zu spielen. Diese Grenze kann er nicht überschreiten. Doch ist ein unbeteiligter Zuschauer wirklich unschuldig? Diese Frage ist eines der Schlüsselelemente des Buches.
Ketschum untersucht nicht die Ursachen der quälenden Gewalt, sondern konzentriert sich auf die Folgen. Er verfällt nicht in reinen Sensationsjournalismus.
Der Plot wird sehr geradlinig erzählt, kein Raum für Ausweichmöglichkeiten. Am Anfange dümpelt das Buch etwas vor sich her, stellenweise überlegte ich mir sogar, ob das wirklich ein "Horror" buch sein sollte. Das ändert sich jedoch dramatisch und man will es nicht lesen, aber muss es lesen. Will selbst nicht wegsehen - und damit treibt Ketschum sein Spiel mit dem Leser. Er bringt einen selbst in die Situation eines Zuschauer. Eines unbeteiligten Zuschauers. Und man stellt sich selbst die alles entscheidende Frage...
Ketchum hat ausreichend Erfahrung, um seine Leser zu manipulieren. Im Gegensatz zu seinen oft expliziert splatterartigen anderen Texten beschreibt er zwar Gewalt – psychologische und körperliche Folter -, die unangenehmen Details gehören aber zur Geschichte und wirken nicht aufgesetzt.
„Evil“ ist eine unangenehme Geschichte zu nahe an unserer gegenwärtigen Realität. Jack Ketchum fasst die oft unbegreiflichen Ereignisse in Worte. Sein Roman ist unangenehm, berührt die Leser und zerstört jegliche Illusion, dass das Wegsehen eine Alternative ist. Es ist ein Plädoyer für Zivilcourage, keine brutale, sensationslüsterne Story. Es ist ein wichtiges Buch eines unterschätzten Autors. Es ist brandaktuell. Es ist wichtig.
Das Buch wurde mittlerweile verfilmt und hatte am 3.Oktober seinen Kinostart. Der Film wird vermutlich 2008 in die deutschen Kinos kommen.
LG Ute
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Ps.: Wer nun noch Lust hat das Buch zu lesen, es wird momentan als Wanderbuch hier angeboten.