Andrea Schacht: Die Ungehorsame

...wenn es denn mal etwas anderes als ein Liebesroman sein soll;)

Moderatoren: mallory, Mondfrau

Andrea Schacht: Die Ungehorsame

Beitragvon Gipsy » 26.10.2008, 16:54

die Ungehorsame
Andrea schacht
Weltbild 2008 Gebundene Ausgabe 440 Seiten


Inhalt:
Leonie würde alles dafür tun, um ihr Elternhaus verlassen zu können – selbst einen ihr relativ fremden Mann heiraten. Die frischgetrauten Ehegatten sind beide aus Vernunftgründen eine Zweckehe eingegangen und begegnen sich zunächst mit kühler Höflichkeit. Doch bald kommt Leonie das Verhalten ihres Mannes merkwürdig vor und sie entdeckt viele Ungereimtheiten. Umgekehrt merkt auch Hendryk, dass Leonie nicht ganz die kühle, formvollendete Dame ist, die sie zu sein scheint. Beide haben dunkle Geheimnisse, die sie das Leben kosten könnten – und ihre langsam, aber stetig aufblühende Liebe.

Meine Meinung:
Ein ägyptischer Geheimbund, eine Augenklappe, merkwürdige Narben und Vorfälle und Personen, die in geheimnisvollen Verbindungen zu den Hauptfiguren stehen. Am Anfang lässt die Autorin ihre Leser sehr im Dunkeln tappen. Klar ist nur, dass jeder Furchtbares erlebt hat und versucht, seine Geheimnisse vor dem andern zu bewahren. Leicht ist das nicht, und so kommt es gerade am Anfang im Haushalt zu mehr als kühlen Szenen zwischen den Eheleuten. Nimmt man dann noch die Biedermeier-Zeit mit ihren starren Verhaltensvorschriften hinzu, wirkt die Atmosphäre oft mehr als frostig und ich fragte mich des Öfteren, wie diese beiden „tortured heroes“ wohl noch zusammenfinden können. Die Autorin bedient sich dabei eines einfachen, aber genialen Tricks: farbenfrohe und interessante Nebencharaktere. Da sind zum Beispiel die Zwillinge, die Hendryk liebevoll in seinen Haushalt aufnahm und über deren Erziehung (und Herkunft) Leonie und Hendryk schon mal einige Gesprächsthemen haben. Auch Leonies neue Freundin Camilla und Hendryks bester Freund Ernst tragen langsam zu einer entspannteren Atmosphäre bei. Die Nebenfiguren sind mehr als nur Stereotypen – auch sie haben ihr Kreuz zu tragen und gewisse Geheimnisse zu hüten. Überhaupt Geheimnisse – jeder in diesem Buch schien mindestens eines davon zu besitzen. Für mich war es sehr spannend zu lesen, wie Leonie und Hendryk sich langsam gegenseitig auf die Schliche kommen. Auch ihre Reaktionen auf das jeweilige Geheimnis des anderen haben mich sehr überrascht und mir gezeigt, dass ihre Freundschaft stärker ist, als ich anfangs angenommen hatte.
Die häuslichen Szenen vermitteln oft ein heimeliges Wohlgefühl und wechseln sich mit spannenderen Sequenzen, wie beispielsweise Rückblicke auf mysteriöse Ereignisse in Ägypten ab. Meist lässt uns die Autorin durch Leonies und Hendryks Augen an der Geschichte teilhaben, aber zwischendurch wird auch aus Sicht der Zwillinge und anderen Nebenfiguren erzählt. Gerade die Zwillinge fand ich sehr sympathisch – aufgeweckte Kinder, die zwar Unsinn im Kopf haben, aber auch durchaus verständig sind. Ihre Beobachtungen waren sehr amüsant zu lesen. Und das sage ich, wo ich sonst Kinder nicht so gern in einer Romanhandlung mag.
„Die Ungehorsame“ ist ein historischer Roman, aber das Augenmerk liegt sehr eindeutig auf der sich ganz langsam entwickelnden Liebe zwischen Leonie und Hendryk. Ich fand es sehr angenehm – und auch glaubwürdig – zu lesen, wie aus der anfänglichen Kühle sich langsam Vertrauen und Freundschaft entwickelt und schließlich in Liebe und Leidenschaft mündet.
Einige der oben erwähnten Geheimnisse konnte ich mir zum Teil schon denken (wenn auch nicht alles), aber ich fand es sehr gelungen, wie die Autorin die Auflösung ins Spiel brachte. Und gerade die Reaktionen der anderen waren oft das Überraschendste für mich.

Alles in allem ein sehr gelungenes Buch, das für mich leider ein wenig durch die häufigen Zeitsprünge verliert. Ich mag es lieber, wenn ein Ereignis bis zum Ende geschildert wird, und nicht, wenn ich im nächsten Kapitel, das einige Wochen später spielt, im Rückblick den Ausgang durch eine andere Person erfahre.

9 von 10 Punkten
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Beitragvon mallory » 26.10.2008, 19:25

Oh toll! Dann werde ich doch am besten weiter hoffen, dass ich da Buch auch nochmal zu einem vernünftigen (Ticket-)Preis bekomme. Oder dass es unsere Bücherei endlich anschafft :cool:
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Beitragvon Gipsy » 26.10.2008, 19:44

Hergeben tu ich es nicht, aber ich kann's dir gerne leihen, wenn du magst :)
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Beitragvon mallory » 26.10.2008, 19:48

Lieb von dir, aber bis zum 15.11. darf ich gar nicht und außerdem habe ich mir heute vorgenommen, mir in nächster Zeit nichts mehr zu leihen! Ich habe nämlich noch mind. 11 geliehene Bücher hier und habe schon ein ganz schlechtes Gewissen, wenn ich mal was von meinen eigenen Büchern lesen möchte :roll:
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Beitragvon Gipsy » 26.10.2008, 19:50

mallory hat geschrieben:Lieb von dir, aber bis zum 15.11. darf ich gar nicht und außerdem habe ich mir heute vorgenommen, mir in nächster Zeit nichts mehr zu leihen! Ich habe nämlich noch mind. 11 geliehene Bücher hier und habe schon ein ganz schlechtes Gewissen, wenn ich mal was von meinen eigenen Büchern lesen möchte :roll:

Das kenn ich auch, deshalb mach ich nur selten bei WBs mit :) Falls du's dir anders überlegst, meld dich einfach. Du kannst dir mit dem Lesen auch gern so lange Zeit lassen, wie du magst :)
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Beitragvon mallory » 26.10.2008, 19:51

Wenn ich dann die 11 geliehenen gelesen habe komme ich u.U. auf dich zurück, danke schön :D
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Beitragvon Klusi » 26.10.2008, 20:14

OH toll, das Buch liegt auch auf meinem SuB, und jetzt freue ich mich noch mehr darauf. Danke für deine ausführliche Beschreibung, liebe Gipsy!
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Beitragvon Gipsy » 26.10.2008, 20:39

Klusi hat geschrieben:OH toll, das Buch liegt auch auf meinem SuB, und jetzt freue ich mich noch mehr darauf. Danke für deine ausführliche Beschreibung, liebe Gipsy!


Bitteschön :) Bin dann auch schon sehr auf deine Meinung gespannt :D
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Beitragvon Wildfee » 26.10.2008, 20:55

Hmmmm.....an und für sich klingt das Buch ja recht gut, aber nach "MacTiger. Highlander auf Samtpfoten" bin ich doch etwas skeptisch, was den Stil betrifft.

Kann man beide Romane miteinander vergleichen?
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Hat die Blume einen Knick, war die Hummel wohl zu dick.
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Beitragvon Gipsy » 26.10.2008, 21:36

MacTiger kenne ich leider nicht :sad

Zum Stil kann ich sagen, dass er sich sehr flüssig lesen lässt. In der KOnversatoin sind einige altmodische Begriffe mit eingeflossen, aber so hat man damals eben gesprochen ;), das hat mich nicht gestört. Mir liegt es nicht so, wenn die Geschichte aus zu vielen Perspektiven erzählt wird und auch nicht, wenn es Zeitsprünge gibt, aber ersteres hat hier einfach gut gepasst und mit letzterem hab ich mich arrangiert.
Ich hab ein wenig gebraucht, um in die Geschichte hineinzufinden, was aber weniger am Stil lag, sondern daran, dass ich mit den steifen Hauptpersonen nicht so ganz klar kam - aber das hat sich dann ja schnell geändert ;)
Mir ist jetzt am Stil nichts Negatives aufgefallen.

Ich hab deine Rezi zum MacTiger noch mal durchgelesen. Dir ist ja hauptsächlich negativ aufgestoßen, dass die Protas "typisch Deutsch" waren - und das in Schottland. Hier in dieses Buch passt die preußische Nüchternheit dann natürlich wieder besser ;) Die Thematik ist natürlich auch deutlich ernster, und Nüchternheit gehört quasi zu den Eigenschaften der Protas und der Zeit. Allerdings verändert sich die Hauptdarstellerin langsam und legt diese Nüchternheit nach und nach ab. Auch nimmt die Liebesgeschichte hier einen relativ großen Raum ein, auch wenn ich das Buch trotzdem noch immer in erster Linie als historischen Roman bezeichnen würde.
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