Andrew Davidson: Gargoyle

...wenn es denn mal etwas anderes als ein Liebesroman sein soll;)

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Andrew Davidson: Gargoyle

Beitragvon Lilli » 09.03.2009, 17:22

Bild
Gargoyle
Andrew Davidson
Berlin Verlag 2009-01-31 Gebundene Ausgabe 576 Seiten

Inhalt/Ama:
In Gargoyle trägt der Protagonist schlimmste Verbrennungen davon. Seinen Beruf wird er nicht mehr ausführen können, sein Leben scheint zu Ende zu sein, nur der Selbstmord verspricht Rettung. Doch dann tritt wie aus dem Nichts – und als eine Art Deus ex machina des dramatischen Geschehens – die ebenso faszinierende wie geheimnisvolle Bildhauerin Marianne Engel an sein Krankenbett: und die erzählt dem Kranken eine wahrhaft wundersame Geschichte, vor deren Hintergrund selbst die Vision von den brennenden Pfeilen und den angreifenden Heerscharen einleuchtend erscheint. Sie und er, sagt die Unbekannte, seien einst ein Liebespaar gewesen: im Deutschland des 14. Jahrhunderts, in dem Sie als Nonne, er aber als Söldner sein Dasein fristete. Marianne erzählt ihm von dieser Vergangenheit. Und allmählich kommt sein Lebensmut zurück: eine Reise durch Zeit und Raum, bis zum dramatischen Finale...

Inhalt
Der Ich-Erzähler, dem Aussehen nach, ein Traum von einem Mann, arbeitet als Pornodarsteller. In sehr schwierigen familiären Verhältnissen aufgewachsen, sieht er Frauen nur fürs Bett. Er ist ein Zyniker, konsumiert in Übermengen Drogen und Alkohol, um sich und seine Welt zu ertragen. Damit ist er innerlich das genaue Gegenteil zu seinem Aussehen. Das Buch beginnt mit seinem im Drogen- und Alkoholrausch stattfindenden Autounfall. Das Auto, aus dem er sich nicht befreien kann, geht in Flammen auf. Mit schweren Brandverletzungen am ganzen Körper wird er Wochen später im Krankenhaus wieder wach. Jetzt ist er auch äußerlich hässlich. Die Verletzungen und die Tortur der Behandlung erträgt er nur mit starken Schmerzmitteln, sodass er nur den eigenen Selbstmord als Ausweg ansieht.
In diesem Zustand besucht ihn heimlich eine Frau auf der Intensivstation, die aus der psychiatrischen Station entwicht ist: Marianne Engel. Dies ist nicht der erste Besuch von Marianne, eine begnadete Bildhauerin von Gargoyles. Sie erzählt ihm immer wieder Geschichten von Liebenden und aus ihrer eigenen Vergangenheit. Ohne es zu merken ist der Erzähler von Marianne immer mehr fasziniert. Marianne behauptet bereits im Mittelalter als Nonne gelebt zu haben. Sie war im Kloster Engelthal mit der Fertigung und Übersetzung von Büchern beschäftigt. Dort hat sie auch ihn kennengelernt und später sogar das Kloster mit ihm verlassen. Die Geschichten von Marianne sind unglaubwürdig und doch spenden sie ihm Trost und langsam wandelt es sich innerlich.

Meine Meinung:
Ich tue mir etwas schwer mit einer klaren Einschätzung.
Der Autor hat einen tollen Erzählstil. Die ersten Seiten über den Unfall sind allein für sich lesenswert. Der Unfall, das Verbrennen bei vollem Bewusstsein, ist so eindrucksvoll geschrieben, dass der Charakter des Ich-Erzählers voll durchschlägt. Zynisch sieht er sich selbst als „aufplatzendes Grillwürstchen“ ohne gleichzeitig große Effekthascherei zu betreiben.
Man erfährt aber nie seinen Namen. Er bleibt der Erzähler, der sein Inneres nach außen und das Außen nach innen wandelt.
Marianne Engel ist die Verrückte. Ihre Geschichten aus dem Mittelalter oder von den unterschiedlichsten Liebespaaren sind geprägt durch die Zeit, in denen sie spielen. Nicht idyllisch, aber sehr gefühlvoll, wird das Leben geschildert und die Liebe. So wechselt der Leser von heute in das Mittelalter, zu Wikinger oder nach Japan. Aber auch der Leser steht vor der Wahl: Ist Marianne jetzt verrückt und erfindet diese Geschichten oder hat sie sie tatsächlich erlebt?
Die Geschichten sind im Erzählfluss gut eingebunden. Sie handeln von Liebespaaren, aber es sind keine Geschichten, die einem das Lächeln ins Gesicht treibt. Die Liebe selbst wird in diesem Buch eher durch Gesten oder Andeutungen dargestellt. Sexszenen oder ähnliches findet man nicht.
Man findet viele (religiöse) Symbole. Der Unfall war Karfreitag, der Name der weiblichen Figur –Engel-, Dantes Inferno, um nur einige zu nennen, sodass auch hier für den Leser viel zu deuten möglich wird.
Die Nebenfiguren sind eher unbedeutend in dieser Geschichte um Gut und Böse, aber trotzdem klar gezeichnet und wohl platziert.
Der Autor hat hier für mich etwas Neues geschaffen. Gegensätze finden sich überall wieder. In der Handlung (Gut und Böse), in der Zeit (Mittelalter und heute) im Erzählstil (Ich-Erzähler und Erzählungen) in den Hauptfiguren (Er: gutes Aussehen und hässliche Taten), um nur die Wichtigsten zu nennen. Das Buch lebt von schnellen „Schnitten“. Kurze Kapitel und Absätze und schon ist man wieder woanders. Alleine deshalb ist das Buch für mich lesenswert.
Trotzdem kann ich das Buch nicht jedem empfehlen. Die Liebesgeschichte ist ungewöhnlich und ein richtiges „Happy-End“ sucht man vergebens. Vieles bleibt dem Leser überlassen und daher offen für Interpretation, also kein Buch für den typischen Liebesromanleser „und sie leben glücklich zusammen…“. Für mich hat das Buch eher den Wandel des Ich-Erzählers im Mittelpunkt und weniger die Liebesgeschichte, sodass ich mir sogar schwer tue es als „Liebesroman“ zu bezeichnen.
Ich musste mir nach dem Lesen der letzten Seite auch einige Zeit lassen, um diese Rezi zu schreiben, weil ich am Ende noch nicht genau wusste, wie ich es bewerten sollte.

Meine Wertung:
Einfach als Buch/Lektüre (ohne die Einschätzung: Liebesroman) würde ich 4,5 von 5 Punkten geben (die Entzugsphantasie/Dantes Hölle fand ich beispielsweise etwas zu lang), aufgrund des genialen Erzählstils, der Kombination der Gegensätze und der Prise Fantasy (aber auch das ist teilweise dem Leser überlassen, was glaubt und denkt er oder sie).
Als Liebesroman eher 3 von 5 Punkten, da setze ich eben andere Kriterien.
Für das Cover gibt es übrigens die volle Punktzahl (passt auch zum Inhalt ;) )

:stern
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Beitragvon Wildfee » 09.03.2009, 19:54

Herzlichen Dank für die tolle Rezi!

Aber ich glaub, das das Buch nix für mich ist, zu schwere Kost ;)
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Hat die Blume einen Knick, war die Hummel wohl zu dick.
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Stimme überein

Beitragvon Monique » 03.06.2009, 18:39

Ich stimme mit der Bewertung von Lilli überein. Meiner Meinung nach ein tolles Buch, wenn man durch die ersten 50 Seiten ist. Der Autor beschreibt teilweise doch sehr anschaulich, was mit einem Verbrennungsopfer passiert. Nichts für schwache Nerven. Ich bin noch nicht ganz durch, finde die Geschichte aber sehr packend.
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Schaut sich noch um......
 
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