Wäre das Buch nicht von Michelle gewesen, hätte ich es wahrscheinlich nicht gelesen - ich mag weder den Schauplatz noch den Plot, über Krieg zu lesen ist mir zuwider, von Folter ganz zu schweigen. Aber sie hat es geschafft, dass es niemals langweilig wurde, es wurde zwar auch nichts ausgelassen, aber es ging auch nicht bis ins kleinste Detail. Im Gegensatz zu Mine hat mir das Unaufdringliche der Liebesgeschichte gefallen, andere Ereignisse waren irgendwie wichtiger, besonders das Heimkommen des Team 8. Persönlich fand ich die Auswahl der Namen Rock und Rose nicht so gelungen, manchmal musste ich schon zweimal hinschauen, das Ro-Ro am Anfang verwirrte ein bisschen, besonders da Lyx ja auch so eine kleine Schriftart hat. Und bis zum Schluß habe ich mich gefragt, ob Jade jetzt wurde oder nicht - ihr wisst wahrscheinlich, was ich meine *g*. Und genau das ist eine Kunst des Schreibens, grauenvolles nicht auszulassen, aber trotzdem noch Fragen offen lassen. Mir hat dieser erste Band ausnehmend gut gefallen, vor allem die Abwechslung der Handlungsstränge war klasse - und so viele neue, interessante Charaktere
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Es ist eine Menge, was Michelle Raven diesmal dem Leser zumutet. Mit dem Wechsel des Schauplatzes nach Afghanistan, in den Krieg, schlägt sie ernsthaftere Töne an, das Grauen des Krieges und der Widerstand gegen die eingeflogenen Truppen ist allgegenwärtig, genauso wie das Elend der Bevölkerung, die immer noch unter einem Terrorregime leiden müssen. Die Liebesgeschichte verläuft diesmal angenehm am Rande, es gibt viel zu viel anderes zu erzählen, in den Fokus rückt das Leben und die Umstände in Afghanistan. Im Gegensatz zu Suzanne Brockmann, die bei ihren Heartbreakers oft den Plot verschreibt, ist es bei Michelle genau anders herum, sie widmet der Handlung wesentlich mehr Aufmerksamkeit als den zwischenmenschlichen Beziehungen. Natürlich schleichen die sich trotzdem ein, aber sehr dezent und eingebettet in eine atemberaubende Geschichte.
Rose Gomez’ Mann Ramon „Ghost“ ist bei einem Einsatz der SEALs ums Leben gekommen, nachzulesen in „Riskante Nähe“. Mittlerweile sind sieben Jahre vergangen und Rose hat sich ein neues Leben aufgebaut. Sie hat studiert und lehrt an einer Universität die Rolle der Frau in unterschiedlichen Kulturkreisen, die sie schon immer interessiert hatte. Im Zuge ihrer Studien war sie bereits mit einer Hilfsorganisation in Afghanistan, bei der sie nicht nur die Gebräuche und Sitten des Landes, sondern auch die Sprache erlernt hat. Das prädestiniert sie dazu, bei der Suche nach zwei verschwundenen Agentinnen der neu gegründeten Einheit der Terrorism Undercover Reconnaissance Team / Ladies Elite, kurz TURT/LE, mitzuhelfen. Da sie weiß, wie in Afghanistan mit Geiseln, besonders mit Frauen, umgegangen wird, überlegt sie nicht lange. Rock passt dies anfangs gar nicht, wüsste er Rose doch lieber in Sicherheit, denn ihre Art und ihre Person bringt sein Gefühlsleben mächtig durcheinander. Aber Rose ist Ghosts Witwe, kann er sich da wirklich Hoffnungen machen? Ist eine Beziehung überhaupt erlaubt oder gewollt? Wird ihn das nicht von seinem Einsatz ablenken? Rocks SEAL Team 11 unter neuer Leitung ist angefordert, um das SEAL Team 8 bei der Rettung der Geiseln zu unterstützen.
Viele Personen haben Anteil an der gelungenen Geschichte, der Fokus verteilt sich dabei zu Lasten des favorisierten Paares. Dem Stil Michelles ist es zu verdanken, dass es gleichermaßen spannend bei allen verschiedenen Handlungssträngen bleibt und sie zwar die unangenehmen Begleiterscheinungen nicht bis ins kleinste Detail erläutert, sie aber auch nicht verschleiert oder beschönigt. Jade und Kayla, die beiden Agentinnen, werden direkt zu Anfang getrennt und überleben erst einmal auf völlig unterschiedliche Weise. Wird Kayla von einem Mann gefangen gehalten, der mit ihr dann in die Berge flieht, so muss Jade die Folterungen eines Warlords ertragen, der unbedingt ihre Informationen bekommen möchte. Team 8 gerät in Schwierigkeiten bei der Rettungsmission, eindringlich und gefühlvoll kämpft man mit der Mannschaft ums nackte Überleben. Dazu kommt dann noch Rocks Team 11, die dort auch wieder in den Einsatz geschickt werden. Außerdem gibt es noch Einblicke in die deutsche KSK Einheit, bei denen die Amerikaner während ihres Einsatzes stationiert werden. Allen voran ein netter deutscher Leutnant, der hoffentlich in weiteren Büchern noch seinen Auftritt bekommt.
Zwei weitere bereits bekannte Charaktere spielen überraschenderweise hier noch eine große Rolle. Clint Hunter, bekannt aus Riskante Nähe, hilft bei der Suche nach den Agentinnen, wer den sympathischen SEAL schon in seinem Buch gemocht hat, wird hier nicht enttäuscht. Außerdem hat noch ein weiterer, bereits vielversprechender Charakter große Auftritte, Joe Spade, der Bruder des Agenten Morgan Spade, bekannt aus Eine unheilvolle Begegnung. Schon damals weckte der harmlos wirken wollende Geologe großes Interesse, hier erfährt man nun Näheres über ihn und gehegte Vermutungen bestätigen sich. Zusätzlich gibt es noch andere bekannte Namen, teilweise ist es ein riesiges Familientreffen. Alle sind sympathisch und interessant, man fühlt sich wohl unter ihnen und bangt mit ihnen um einen glücklichen Ausgang. Doch der Weg ist äußerst steinig und gefährlich, nicht alle werden wir wiedersehen, die Ereignisse lassen keinen Raum dafür. Man merkt der Geschichte ihre gute Recherche an, sie ist detailliert, schlüssig und eindringlich. Michelle beschönigt und verschweigt nichts, die Zustände in Afghanistan sind nun einmal so, auch das Militär ist dort immer noch in Gefahr.
Rose und Rock haben anfangs ihre Schwierigkeiten miteinander. Rose hat Angst, sich wieder auf einen SEAL einzulassen, einen weiteren Verlust könnte sie nicht ertragen. Rock hat Schuldgefühle, da er dabei ist, sich in Ghosts Witwe zu verlieben. Anfangs noch verständlich, dann nur noch nervig, denn Ghost ist nun mal nicht mehr da und das Leben geht weiter. Er ist im Moment an einem Punkt angelangt, an dem er nach der richtigen Frau in seinem Leben sucht, eine Stelle, die Rose vortrefflich besetzen könnte. Dass sich ihre Gefühle schnell und explosiv entwickeln ist auch verständlich, lange Unterdrücktes kommt unerwartet an die Oberfläche. Glücklicherweise nimmt die Liebesgeschichte nicht zu viel Raum ein, es passiert einfach zu viel um sie herum. Obwohl Rose schon einmal mit einem SEAL verheiratet war, wirkt sie dann manchmal etwas hysterisch und überfürsorglich, ihre Ängste sind zwar nachvollziehbar, aber doch leicht unpassend. Es gibt aber noch eine Menge anderer hochinteressanter Charaktere, die man gerne begleitet, mit ihnen leidet und voller Spannung auf weitere Ereignisse wartet. Kayla und Jade sind taffe junge Frauen, die gedacht haben, sich gefährlichen Aufgaben zu stellen wäre aufregende, die dann aber mit der Wirklichkeit konfrontiert werden, die sie einerseits überfordert, in der sie sich andererseits aber auch überzeugend verhalten. Lediglich das Ende ist etwas überhastet und unausgewogen, wie konnte einem SEAL Team nur solche Fehler passieren.
Fazit
Michelle Raven hat mit TURT/LE – Gefährlicher Einsatz eine aufregende neue Reihe vorgestellt, die sich vorzüglich mit bereits bekannten Reihen verquickt. Bekannte Charaktere stehen Unbekannten in nichts nach, viele interessante Personen werden eingeführt. Das Grauen einer hinterhältigen Kriegsführung ist allgegenwärtig, einfühlsam geschildert. Nichts wird ausgelassen, verschleiert oder beschönigt, alles wirkt fundiert. Einige Fragen bleiben noch offen – aber es kommen ja auch hoffentlich noch weitere Bücher.
LG
Patty