Schuldig - Jodi Picoult

...wenn es denn mal etwas anderes als ein Liebesroman sein soll;)

Moderatoren: mallory, Mondfrau

Schuldig - Jodi Picoult

Beitragvon patwelli » 21.09.2011, 17:40

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Schuldig: Roman
Jodi Picoult
Piper 2011-02 Gebundene Ausgabe 416 Seiten

Klappentext:

Die 14jährige Trixie ist Daniels Augenstern. Er liebt seine Tochter mehr als sich selbst. Der freiberufliche Comiczeichner schafft für Trixie eine Welt voller Heldengeschichten, während seine Frau Lauren an der Universität Karriere macht. Wie brüchig aber das Glück der Familie ist, wird ihm nur allzu bald klar, als Trixie eines Abends vollkommen aufgelöst nach Hause kommt. Die unschuldige Liebe ihres Freundes Jason hat sich in rohe Gewalt verwandelt. Wenig später stirbt der Junge unter merkwürdigen Umständen. Trixi flieht vor den Konsequenzen der Ereignisse nach Alaska. An einen Ort, mit dem Daniel enger verbunden ist, als er wahrhaben will. Aber jetzt ist die Zeit gekommen, sich seiner Vergangenheit zu stellen: Daniel macht seiner Frau ein erschütterndes Geständnis... Quelle: Piper

Meine Meinung:

Worte, die erst einmal den Mund verlassen haben, schweben im Raum und dringen in Gehöre ein, sie können nicht mehr zurückgenommen werden. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen müssen getragen werden, von demjenigen, der die Worte hervorgebracht hat und von demjenigen, der sie hört. Manchmal sind sie federleicht und manchmal haut ihre Wucht riesige Kerben in zarte Gemüter. Sind sie erst einmal gesagt, ist es zu spät für Reue, dann sollte man zu seinem Wort stehen – und die Konsequenzen tragen.

„Solche Sachen sah man in Modezeitschriften, Sachen, die fast pornografisch freizügig waren, wie Daniel fand, und getragen wurden von Models, die kaum älter als Trixie waren. Und die jungen Mädchen zogen so etwas zu einer Party an, weil sie es sexy fanden, ohne darüber nachzudenken, was es bedeutete, wenn ein Mann das auch fand.“ Seite 89

Trixie wurde vergewaltigt. Von Jason, ihrer ersten Liebe und ihr erster Freund. Sagt Sie. Jason sagt was Anderes. Laut ihrem Umfeld hat Jason Recht und Trixie Unrecht. Jeder weiß doch, dass sie sich lediglich rächen will, da Jason mit ihr Schluß gemacht hat. Musste der allseits beliebte Eishockeystar, der doch nun wirklich jede bekommen kann, zu Gewalt greifen, um zu bekommen, was er wollte? Bei einem Mädchen, welches vor lauter Liebeskummer nicht mehr richtig am Leben teilnehmen kann? Allerdings gibt es nur diese zwei Zeugen und es wird wirklich schwierig werden, die Wahrheit herauszubekommen. Denn Aussage steht nunmal gegen Aussage. Und die Konsequenzen schlagen wie ein Donnerhall in das Leben aller Beteiligten ein. Denn nicht nur Trixie ist betroffen, auch Jasons Leben verändert sich, er wird verhört, verhaftet und muss sein Leben anders einrichten, denn außer Eishockeyspielen darf er nichts mehr außer Haus machen. Dabei hatte er ein Sportstipendium so gut wie sicher in der Tasche, ob er das wohl behalten kann? Trixie trifft es noch viel härter, sie wird gemobbt, verspottet und von allen verlassen, selbst von ihrer besten Freundin.

„Daniel hatte geglaubt, ein Kind, das mit Stofftieren im Bett schlief, würde keinen Stringtanga tragen, doch jetzt erkannte Daniel, dass es Gestaltwandler schon gegeben hatte, lange ehe Comiczeichner Figuren wie Copycat oder The Changeling erfanden, und zwar in Gestalt pubertierender Mädchen.“ Seite 89

Mit ihrer gewohnten Art verwischt Jodi Picoult wieder einmal gekonnt die Konturen zwischen Opfer und Täter, Schwarz und Weiß wird zu einem Graugemisch. Denn beide sind beides, Opfer sowie Täter, womit der Leser gezwungen wird, hinter die Kulissen zu schauen. Immer mehr Hinweise tauchen auf, die Zweifel säen und schon bald ist man sich nicht mehr sicher, mit wem man mehr Mitleid haben sollte. Trixie ist mit ihrer ersten Liebe Jason völlig überfordert, als er sie verlässt, bricht ihre Welt zusammen. Auf einer Party greift sie zu ungewöhnlichen Maßnahmen, um ihn wiederzubekommen, eingeflüstert von einer gutmeinenden Freundin. Die Partyspiele, zwischen den männlichen und weiblichen Jugendlichen, waren schon sehr deftig und heftig - ich hoffe nur, dass sie nicht als Anregung unserer Teenies dienen. Den Ball, den sie damit ins Rollen bringt, kann sie alleine nicht mehr aufhalten. Als sie nicht mehr weiter weiß, flüchtet sie nach Alaska, an den Ort, an dem ihr Vater aufgewachsen ist. Ihr Vater Daniel hatte eine schwere Kindheit, als einziges weißes Kind unter lauter Inuits wurde er von Anfang an ausgegrenzt und gemobbt. Seine Mutter war Lehrerin in einem kleinen Dorf, was ziemlich weltabgeschieden war. So schnell er konnte, verließ er den Ort und erarbeitete sich einen Ruf als Comiczeichner. Laura, seine Frau, unterrichtet am College, für beide war es klar, dass Daniel zuhause bleibt und sich um Trixie kümmert. Aber jetzt hat sich das Mädchen in eine Situation gebracht, zu der auch ihr heißgeliebter Vater keinen Zugang mehr findet.

„Daniel wusste, dass es darauf keine Antwort gab. Es war wie bei einer Trapeznummer: Wie wollte man sagen, in welcher Sekunde der Akrobat sich abstieß, in welchem Moment der Fänger losließ? Es war unmöglich. Man konnte nur ausgehend vom Ergebnis Rückschlüsse ziehen: der erfolgreiche Fang oder der Sturz in die Tiefe.“ Seite 189

Interessant sind die Ausführungen über das Leben in Alaska und Dantes Inferno, Lauras Unterrichtsthema. Unterstützt durch einen eingebauten Comic, dem immer mal wieder ein paar Seiten gewidmet werden, erfährt man in anschaulicher Weise Näheres über Dantes Weg ins Inferno – oder ist es doch möglicherweise Daniel, der einen Weg aus dem Inferno sucht, in das er so plötzlich hineingeworfen wurde. Leider bleiben am Ende doch einige Fragen offen, das Buch endet ziemlich abrupt. Vorher bekommt man aber noch einen guten Einblick über das derzeitige Leben in Alaska, die Stille, die Kälte und die Hoffnungslosigkeit. Indem sie Trixie folgen, nähern sich Daniel und Laura wieder etwas an, ihre Ehe hatte so einige Rückschläge zu verkraften, besonders da Laura nicht sofort erreichbar war, als Trixie im Krankenhaus war. Aber ob das reichen wird und ob sie jemals wieder in der Lage sein werden, ein einigermassen normales Leben zu führen bleibt der Phantasie der Leser überlassen.

Fazit

Vergewaltigung oder nicht? Die Umstände entscheiden oft, wem man wirklich Glauben schenken will. Glaubt man einer Frau, die mit sichtbaren Wunden im Krankenhaus liegt eher als einer, die ihre Verletzungen nur auf der Seele hat? Und wieviele Frauen setzen eine Vergewaltigung bewusst ein, um jemandem zu schaden? Die Macht der Bezichtigung ist oftmals gar nicht abzusehen, Anschuldigungen, die unbedacht ausgestossen werden, ziehen weite Kreise und schlagen hohe Wellen. Wieder einmal schaffte Jodi Picoult es, eine Situation gnadenlos von beiden Seiten zu beleuchten, so dass man sich nie sicher sein kann, auf der richtigen Seite zu stehen.

Von mir gibt es 3,5 von 5 Punkten, das Ende zu offen und der Teenager hat mich auch nicht überzeugt.


:stern
Meine verwendeten Bilder habe ich entweder selbst erstellt oder sie kommen von dieser Seite

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