
Tannöd
Andrea M. Schenkel
Edition Nautilus 2006-02 Broschiert 125 Seiten
Kurzbeschreibung:
Sie nennen ihn nur noch den Mordhof, den einsam gelegenen Hof der Danners in Tannöd. Eine ganze Familie wurde in einer Nacht ausgelöscht, mit der Spitzhacke erschlagen. Gemocht hat sie kaum jemand, mürrische, geizige Leute waren sie und den ein oder anderen hat der alte Bauer wohl auch übers Ohr gehauen. Aber selbst die Kinder wurden grausam ermordet, und so geht die Angst um im Dorf, denn vom Mörder fehlt jede Spur.
Diese Spur muss der Leser aufnehmen.
Unheimlich wird es, weil man jeden Schritt des Mörders mit verfolgt, ihn beobachtet bei seinen alltäglichen Verrichtungen, ohne seine Identität zu kennen. Die spannende Unruhe, die einen bis zum Ende nicht verlässt, löst sich erst auf, wenn das Mosaik komplett ist.
Die Autorin legt mit ihrem Debüt nicht nur einen dramatischen, literarisch reizvollen Kriminalroman vor. Sie zeichnet schonungslos und eindrücklich das Porträt einer bigotten und ganz und gar nicht idyllischen dörflichen Gemeinschaft mit einem traumatischen Beziehungsgeflecht, das schließlich zum Mord führt.
Dem Buch liegt ein ungeklärter Mordfall an einer Bauernfamilie zugrunde.
Meine Meinung:Eigentlich bin ich nicht der große Krimi-Leser, aber da dieses kleine Büchlein einen ziemlichen Rummel in den Medien verursacht, hat es mich doch interessiert. Ich persönlich würde es nicht als typischen Krimi einstufen und kann mir, mangels persönlicher Krimi-Erfahrung, kein Urteil erlauben, ob der Krimipreis gerechtfertigt ist oder nicht. Es handelt sich eher um eine raffiniert angelegte Gesellschaftskritik, die erschreckend ungeschminkt die Atmosphäre einer ländlichen Lebensgemeinschaft der 50er Jahre beschreibt. Der Alltag auf dem Dannerhof ist nicht leicht, besonders für die beiden Frauen. Die alte Dannerin flüchtet sich in Frömmigkeit, um ihre Lebenssituation zu rechtfertigen und zu beschönigen. Diese Bigotterie, welche nichts mit wahrem, tiefem Glauben zu tun hat, wird auch durch ganze Litaneien von Fürbitten deutlich gemacht, die immer wieder zwischen den Kapiteln eingefügt sind. Auch von Barbara habe ich den Eindruck gewonnen, dass sie sich die Bibelgeschichten so auslegt, wie sie ihr gerade in die eigene Sitution passen. Insgesamt ist die Atmosphäre sehr düster, was auch durch das schlechte Wetter zur Tatzeit noch unterstrichen wird.
Der Aufbau des Buches ist sehr gewöhnungsbedürftig. In kurzen Kapiteln schildern verschiedene Dorfbewohner und Betroffene ihre persönlichen Eindrücke, ihre Meinung und ihr Verhältnis zu den Mordopfern. Sowohl die Zeugenaussagen als auch die persönlichen Beschreibungen der Mordopfer lassen immer wieder eine gewisse Doppelmoral erkennen, wie man sie erschreckend häufig im wahren Leben findet.
Dazwischen erfährt man, als stiller Beobachter, mehr über den Täter und sein Motiv. Nach und nach kann man sich ein Bild über die ganze Sache machen, als würde man ein Puzzle zusammenfügen. Die in vielen Buchkritiken versprochene Spannung war für mich leider nicht gegeben, denn schon ungefähr ab der Mitte des Romans wird klar, wer der Massenmörder ist.
Ich vergebe 4 1/2 von 5 Punkten